Grenzüberschreitende Transporte sind das Rückgrat der Wirtschaft im EU-Raum. Doch sie können schnell zum rechtlichen Minenfeld werden. Angenommen, ein Lkw startet morgens in Hamburg. Mittags fährt er durch die Niederlande und entlädt dann abends in Belgien. Dabei müssen gleich drei verschiedene Regelwerke beachtet werden. Denn jedes Land hat seine eigenen Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten, Fahrverboten und Dokumentationspflichten. Das bedeutete früher endlose Ordner voller Papiere, gestresste Fahrer und teure Bußgelder wegen versehentlicher Verstöße. So stapelten sich beim Fahrerkarte auslesen die Ausdrucke, und niemand hatte wirklich den Überblick.
Doch moderne Telematik-Systeme haben diese Situation grundlegend verändert. Sie können die komplette Compliance-Verwaltung automatisch übernehmen. So kennen sie die Regeln jedes Landes und können rechtzeitig vor drohenden Verstößen warnen. Was früher Stunden an Verwaltungsarbeit kostete, läuft heute im Hintergrund ab. Grenzüberschreitende Compliance hat sich so vom Risikofaktor zu einem kontrollierbaren Prozess entwickelt. Wie diese Systeme konkret die grenzüberschreitende Compliance garantieren, nehmen wir in den nächsten Abschnitten genauer unter die Lupe.
Automatische Erfassung unterschiedlicher EU-Regelungen
Die Funktionsweise von Telematik-Systemen ähnelt denen eines digitalen Regelwächters, der im Hintergrund mitdenkt. Die rechtliche Grundlage dafür ist die EU-Verordnung 561/2006. Was regelt diese? Lkw-Fahrer dürfen maximal 4,5 Stunden am Stück fahren, bevor eine Pause fällig wird. Schluss für den Tag ist nach neun Stunden Lenkzeit. Bis hierhin hört sich das noch einfach an. Doch die Realität ist etwas komplizierter. So verbietet Deutschland an bestimmten Feiertagen das Fahren. Frankreich hat eigene Ruhezeiten-Vorschriften, und in Italien gelten spezielle Mautregeln für Nachtfahrten.
Moderne Telematik-Software schafft hierbei Abhilfe. Denn sie kennt diese nationalen Unterschiede und aktualisiert sich automatisch, wenn sich Gesetze ändern. Mithilfe von GPS erkennt das System, in welchem Land sich der Lkw gerade befindet und kann so automatisch die dort gültigen Bestimmungen anwenden.
Lückenlose Dokumentation für Kontrollen in allen Mitgliedsstaaten
Kommt es zu Straßenkontrollen, verlangen Polizei und Verkehrsbehörden meist den Nachweis aller Lenk- und Ruhezeiten der vergangenen 28 Tage. Früher mussten hierbei Fahrer stapelweise ausgedruckte Diagrammscheiben oder Fahrerkarten-Ausdrucke im Lkw mitführen. Dabei kam es zu saftigen Strafen, wenn auch nur ein Tag fehlte.
Auch dieses Strafenrisiko kann nun mit Telematik-Systemen und ihrer Cloud-Anbindung elegant umschifft werden. Denn alle Daten werden automatisch hochgeladen und zentral gespeichert. Wird ein Lkw in Spanien durch einen Kontrolleur gestoppt, kann der Fahrer über ein Tablet oder Smartphone sofort nachweisen, was er letzte Woche in Polen gefahren ist. Die digitale Dokumentation ist manipulationssicher und entspricht den gesetzlichen Anforderungen aller EU-Mitgliedsstaaten.
Warnungen in Echtzeit vor drohenden Verstößen
Da sich moderne Telematik-Systeme wie ein aufmerksamer Beifahrer verhalten, kann das System den Fahrer warnen, sobald er sich der maximalen Lenkzeit nähert. Das geschieht 30 Minuten, bevor das Limit erreicht ist. So hat der Fahrer ausreichend Zeit, einen geeigneten Rastplatz oder Parkplatz anzusteuern. Bei grenzüberschreitenden Fahrten weiß das System über die GPS-Ortung, in welchem Land sich der Lkw gerade befindet, und passt die Warnungen entsprechend an.
Findet gerade eine Fahrt von Deutschland nach Frankreich statt, kann die Software automatisch die jeweils gültigen Vorschriften berücksichtigen. Auch die Disposition im Firmensitz wird hierbei mit einbezogen und erhält diese Warnmeldungen. Diese kann dann rechtzeitig einschreiten, wenn sich abzeichnet, dass ein Fahrer seine Route nicht wie geplant schaffen wird.
Zentrale Datenspeicherung und Archivierung
Transportunternehmen müssen alle Fahrerkartendaten mindestens ein Jahr lang aufbewahren, um den gängigen EU-Vorschriften nachzukommen. Diese Aufgabe können Telematik-Lösungen automatisch übernehmen. Jede ausgelesene Fahrerkarte wird sofort in einer Cloud-Datenbank gespeichert, verschlüsselt und vor unbefugtem Zugriff geschützt.
Sollte es zu einer Nachfrage vom Bundesamt für Güterverkehr oder einer ausländischen Behörde kommen, lassen sich die benötigten Daten innerhalb von Minuten herausfiltern und exportieren. Neben einer besseren Risikominimierung bei Kontrollen schützt diese revisionssichere Archivierung Unternehmen auch bei späteren Rechtsstreitigkeiten oder Unfalluntersuchungen.
Integration von AETR-Regelungen für Nicht-EU-Verkehr
Wie wir bereits sehen konnten, ist der Grenzüberschritt im EU-Raum eine komplizierte Angelegenheit. Das nächste Komplexitätslevel ist erreicht, wenn ein Lkw die EU-Grenzen verlässt. Länder wie die Schweiz, Türkei, Norwegen oder die Ukraine gehören nicht zur EU und haben ebenfalls eigene Regelungen für Lenk- und Ruhezeiten. Diese fallen unter das AETR-Abkommen. Das ist ein internationales Übereinkommen, das der EU-Verordnung ähnelt, aber eigene Besonderheiten hat.
So erlauben manche AETR-Länder längere Lenkzeiten unter bestimmten Bedingungen. Andere haben wiederum strengere Pausenregelungen. Auch diese Unterschiede können von guten Telematik-Systemen erkannt werden. Sie schalten automatisch um, sobald ein Lkw die entsprechende Grenze überquert. Wie auch beim Grenzübertritt im EU-Raum erkennt das System über GPS den Standort und wendet die jeweils gültigen AETR-Vorschriften an. Für Speditionen, die regelmäßig in die Schweiz oder nach Osteuropa fahren, ist diese Funktion unverzichtbar.











